Ich sehe was, was Du nicht siehst

Es gibt doch kein untrüglicheres Sinnesorgan als das Auge. Oder?
In Experimenten hat man den Probanden ein Video eines kleinen Autounfalls gezeigt. Danach wurden einige gefragt: Ist Glas gesplittert beim Unfall? Man bekommt einen signifikanten Unterschied wenn man die Frage etwas härter formuliert. Fragt man stattdessen: Hat Glas gesplittert als es krachte? Alle Probanden hatten den gleichen Film gesehen. Aber je nach Fragestellung fiel das Ergebnis anders aus.

Legendär ist der Versuch, bei dem die Probanden die Ballkontakte der Mannschaft in weiß spielend zählen sollten. Hier klicken für den Film.
Einige kennen diesen Film schon und wissen worum es geht. Deshalb hat man zehn Jahre später eine Farbversion davon gemacht.

Warum wir den Gorilla übersehen

“Ich hätte den Gorilla gesehen, selbst wenn ich den Test nicht gekannt hätte.” – Man hat in einer weiteren Folge dieses Tests in Deutschland die Probanden mit sogenannten Eye-Trackern ausgstattet. Damit kann man beobachten, wohin der Proband schaut. Praktisch jeder der Teilnehmer hat den Gorilla angesehen (im Durchschnitt für über eine Sekunde Dauer). Auch diejenigen, die hinterher diese Begebenheit nicht mehr eingefallen ist.

Wo ist der Gorilla dann verschwunden? In der Verarbeitung der Bilddaten des Auges bis in die letzte Wahrnehmung durch unser Gehirn. – “ich war wohl mit meinen Gedanken woanders.” – tatsächlich vermuten die Wissenschaftler eher, dass der Gorilla als unwichtig weggefiltert wurde. Wer jetzt sich über diese Optimierung freut und sich denkt: “Ist doch alles gut!”, den  weisen die Autoren der Studie auf eine Parallele hin. Immer wieder kommt es auf völlig einsehbaren Straßen mit Autofahrern, die aus einer Seitenstraße einbiegen und dann einfach dem Motorradfahrer übersehen. Übersehen? Genauso wie den Gorilla? Ja, leider.

Was, wenn der Autofahrer den Motorradfahrer zwar gesehen hat, doch statt dass es im Gehirn einen Alarm gibt wird er als “gefahrlos” eingestuft und keine Gefahr heißt: ich kann fahren.  Es erscheint im Lichte dieses Versuches eher erklärlich, dass hier was falsch geschaltet ist im Gehirn.

Fehlschaltungen im Gehirn

Und noch so eine Täuschung bevor wir ein Fazit ziehen: Der Mond am Horizont wirkt auf uns doch deutlich größer als wenn er oben am Himmel steht. Aber warum ist das so? Ein physikalische Erscheinung, die das Licht anders bricht am Horzont, dass er soviel größer ist? Nein, ihr Auge trügt sie nicht, der Mond der in ihrem Auge ankommt ist immer gleich groß. Man kann das dadurch leicht selber überprüfen, in dem man eine Lochmaske bastelt und diese gerade soweit vom Auge weghält, dass der Mond gerade reinpaßt und dann macht man den Versuch wenn der Mond am Himmel oben und am Horizont steht. Der Abstand der Lochmaske vom Auge ist beide Male gleich – der Mond ist gleich groß.

Wer macht den Mond am Horizont so groß? Unser Gehirn! Auf dem Weg vom Auge zur endgültigen Wahrnehmung haben wir am Horizont viele Vergleichsmittel (Bäume, Häuser, etc.). Dann merkt das Gehirn: der Mond ist groß! Steht der Mond am Himmel oben, dann haben wir keinen Vergleich und dann empfinden wir in als klein.

Fazit

Objektiv können wir mit unseren Sinnen womöglich noch die Wirklichkeit erfassen. Bevor wir uns aber damit auseinandersetzen hat unser Gehirn das Ganze schon soweit mit Mustern aus unserer Vergangenheit angereichert, dass wir von ungeschminkter, objektiver Tatsache nicht mehr ausgehen kann.

Und was lernen wir daraus: Wenn es mal wieder hoch hergeht und man sich gegenseitig seine Sichtweisen um die Ohren haut, da habe ich eine einfache Regel, die ich versuche so oft wie möglich zu beachten:

Erst verstehen, dann verstanden werden.

Wer es schafft erstmal in die Schuhe des Anderen einzusteigen und versucht dessen Position zu verstehen, der wird es leichter haben mit dem eigenen Standpunkt.

Lesen Sie als nächstes: Ich höre nur was ich auch verstehe

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